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Zu Besuch in der Dreiinigkeits-gemeinde

Im Anschluss an das Interview mit Pfarrer Dr. Martens, in dem er von seiner inneren Pflicht Menschen in Not zu helfen, seiner Arbeit mit Flüchtlingen und seine Sicht auf den Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland erzählte, führt er uns durch das Gemeindehaus und berichtet uns von den täglichen Herausforderungen seiner Arbeit.

Wir gehen aus dem Kirchenraum im ersten Stock in einen kleinen Raum im hinteren Teil der Etage. Dort fand gerade der Deutschunterricht für zwei junge Männer statt, die beide unter dem Schutz des Kirchenasyls in der Gemeinde eine vorläufige Heimat gefunden haben. Der eigentlich pensionierte Lehrer, der den Unterricht ehrenamtlich übernimmt, erzählte mit großer Bescheidenheit von seinem Engagement: Es seien nur ein-, zweimal die Woche, die er sich Zeit nähme. Pfarrer Dr. Martens erläuterte uns, wie elementar wichtig die sprachliche Bildung für eine gelungene Integration sei. Die christlichen Flüchtlinge, suchen nicht nur zeitweiligen Schutz, sondern seien auf der Suche nach einer neuen Heimat in der sie frei von Verfolgung aufgrund ihrer Religion leben können. Der Sprachkurs in der Gemeinde wird nicht offiziell anerkannt, aber als erste Maßnahme hilft es den Menschen sich in der neuen Kultur zurechtzufinden und einen höheren sprachlichen Einstieg ermöglichen. Dabei ist es wirklich interessant erfahren zu haben, dass z. B. in Eritrea neun Sprachen gesprochen werden. Der vielsprachige Hintergrund erleichtert somit das Erlernen von Deutsch. Die staatlichen Angebote wie Sprach- und Integrationskurse greifen oft erst Monate später, teilweise zu spät. Die zweite Gruppe von Menschen, die in der Gemeinde Schutz, Rechtshilfe oder einfach nur einen Startpunkt für ein neues Leben suchen, sind Dari und Farsi- sprechende Menschen aus dem Gebieten Afghanistan und Irans. Der Gottesdienst findet aus diesem Grund mehrsprachig statt.

Die Religion als Punkt gemeinsamer Identifikation schlägt die Brücke. Aber Pfarrer Dr. Martens betont, dass auch jeder andere Hilfsbedürftige sich in seinen Sprechstunden an ihn wenden könne. Mit einem zweideutigen Lächeln, erzählt er von den langen Schlangen quer durch den Mehrzweckraum, der sich im Erdgeschoss unter dem Kirchenraum befindet. Er gibt zu, dass die Arbeit sehr anstrengend sei, er sie aber auch sehr gerne macht. In allem, was er erzählte, merkte man, dass es ihm ein wichtiges Anliegen ist. Er versucht, da wo staatliche Systeme aufgrund von Bürokratie oder Zentralisierung die Möglichkeit zur humanitäre Hilfe verpassen, das individuelle, menschliche zu betrachten. So sei die Gemeinde durch die Konzentration von Farsi- und Darisprechern und der vorhanden Infrastruktur einer Großstadt beispielsweise auch geeignet Gehörlose aus diesen Kulturen zu beherbergen; besser als sie irgendwo in Deutschland schlicht nach Zahl durch den sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ zu verteilen. Das Kirchenasyl ist ein gutes Mittel dem etwas entgegen setzen zu können. Es ist zwar in Deutschland nicht in Stein gemeißelt, aber es wird weites gehend vom Staat in der Art geachtet, dass er im Allgemeinen Menschen nicht gewaltsam aus dem Asyl herausholt.

Der Mehrzweckraum, in dem wir als Klasse zwischen den aufgereihten Tischen und Stühlen nur gedrängt Platz hatten ist für die Männer, die unter dem Schutz des Kirchenasyls hier leben, Schlaf-, Essens- und Aufenthaltsraum; abends werden die Tische zur Seite geschoben und einfache Matratzen, die tagsüber auf den Schränken liegen, dienen als Betten. Mit den beschränkten Möglichkeiten, die die Räume bieten erklärte Pfarrer Dr. Martens, warum es in seiner Gemeinde nur Männer aufgenommen werden können. Er kooperiere jedoch mit einer anderen Gemeinde in Wilmersdorf, die Frauen und Kinder aufnehme.

Es interessiert uns natürlich auch, wie die Steglitzer Nachbarschaft die Arbeit der Gemeinde aufnimmt. Man hofft innerlich irgendwie darauf, dass es bei Menschen mit christlichen Hintergrund anders ist - „wenigstens da“- als einen in den Nachrichten täglich entgegen kommt. Aber auch hier begegnet die Nachbarschaft den Menschen, der Gemeinde mit viel Skepsis oder dem Anzeigen von Bagatellen, wie „zu lautem Orgelspiel“.

Der Besuch in der Dreieinigkeitsgemeinde hat gezeigt, wie vielschichtig das „Thema Flüchtlinge“ ist. Es sind viele unterschiedliche Menschen mit diversen Hintergründen. Die Herkunftsländer sind ebenso divers geprägt. Im Gegensatz zu Deutschland, wo kulturelle Vielfalt grundrechtlich verankert ist, ist dort das Ausleben ihres Glaubens unmöglich. Das Bewusstsein dafür sollte von staatlicher, wie auch von medialer Seite mit größerer Sensibilität beachtet werden. Pfarrer Dr. Martens steht dafür, dass jeder hilfsbedürftige Mensch eine faire Behandlung verdient hat. Deutschland solle für Flüchtlinge offen bleiben. Probleme sollten deutlich angesprochen werden, um sie zukünftig verhindern zu können.


Interview mit Pfarrer Gottfried Martens - Hendrik Polland
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